Zwist um „Allfälliges“
Als Denkfabrik empfinden wir den Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ als ungemein wichtigen Bestandteil der Sitzungen des Gemeinderats. Dabei wurden nämlich immer die kurzfristigen Anliegen der Bevölkerung besprochen, welche diese an die Mitglieder des Gemeinderats herantragen konnten.
Bürgermeisterin streicht ‚Allfälliges‘
In der GR-Sitzung am 03. Juni 2020 hat Bürgermeisterin Häusl-Benz überraschend bekanntgegeben, dass der „Punkt ‚Allfälliges‘ nicht gesetzeskonform war und daher künftig entfallen muss“ (siehe PÖZ Juli 2020). Dies wurde als vermeintliche Konsequenz der längst überfälligen Einführung der Fragestunde dargelegt. Tatsächlich haben diese beiden Punkte rein gar nichts miteinander zu tun und ersetzen einander nicht.
Wiedereinführung beantragt
In der GR-Sitzung am 27. August 2020 wurde ein von 9210.at initiierter Dringlichkeitsantrag zur Wiedereinführung von „Allfälliges“ eingebracht – es wurde dabei auch erläutert, in welchem rechtlichen Rahmen dies erfolgen darf. Die Bürgermeisterin hat schließlich in Aussicht gestellt, den zuvor von ihr noch als „gesetzwidrig“ bezeichneten Punkt „Allfälliges“ zukünftig wieder in die Tagesordnung aufzunehmen „wenn es rechtlich in Ordnung ist“ – den Antrag selbst kommentierte sie negativ. Leider haben sich bei der folgenden Abstimmung nur die Grünen und die FPÖ für die Dringlichkeit des Antrags ausgesprochen – gegen eine ablehnende Mehrheit von ÖVP und SPÖ. Somit wird die Thematik nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Gemeindevorstand besprochen.
Verein 9210.at erhält Rechtsauskunft
Nachdem wir die Argumentation der Bürgermeisterin im Gemeinderat als nicht schlüssig empfanden, haben wir selbst eine Rechtsauskunft von der Gemeindeaufsicht eingeholt. Das Resultat: der Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ ist natürlich gesetzeskonform! Diese Information haben wir auch schon am 01. September 2020 an den Gemeindevorstand übermittelt. Wir nehmen die Bürgermeisterin nun beim Wort und hoffen, den wichtigen Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ in der nächsten Sitzung des Gemeinderats wieder auf der Tagesordnung zu finden. Das etablierte Mitsprache- und Auskunftsrecht der Gemeinderatsmitglieder darf nämlich in keiner Weise eingeschränkt werden!
Es bleibt spannend.
Ihr
Florian Pacher & Team 9210.at
Die Gemeindeaufsicht bezieht sich in ihrer Rechtsauskunft auf folgende Gesetzeskommentierung:
In zahlreichen Kärntner Gemeinden besteht die Praxis, in die Tagesordnung der Sitzungen des Gemeinderats einen (gesonderten) Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ aufzunehmen. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn zu diesem Tagesordnungspunkt etwa (lediglich) allgemein gehaltene Informationen weitergegeben werden sollen. Unzulässig ist hingegen nach der Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 12.398/1990), dass zum Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ – ohne vorausgehende Aufnahme als Verhandlungsgegenstand in die Tagesordnung – Beschlüsse des Gemeinderates zu einzelnen Entscheidungsthemen gefasst werden.
Sturm/Kemptner, Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung – Kommentierte Gesetzesausgabe, Rz 11 zu § 35 K-AGO